Jordanien

"Du willst nach Jordanien? Ist das nicht gefährlich?" Das Königreich Jordanien ist seit Jahrzehnten das stabilste und sicherste Land im Nahen Osten. Ein wunderschönes und kulturell hoch interessantes noch dazu. Dennoch ist der Tourismus seit Ausbruch des Syrien-Krieges nahezu vollständig zusammengebrochen. Gerade die rechte Zeit, um dieses großartige Land zu besuchen - ohne die Sorge, kein Zimmer mehr zu bekommen oder von der Ladung eines Kreuzfahrtschiffes überrollt zu werden.

Die Route: Von der Hauptstadt Amman über das nördlich gelegene Jarash (Gerasa) hinunter in den Jordangraben zum Toten Meer, von dort wieder hinauf in die Berge nach Madaba und dann - immer dem Kings Highway folgend - über Karak, Petra und das Wadi Rum nach Aqaba am Roten Meer. Strecke: 654 km. Höhenmeter: 10.214 m.

Amman wurde ähnlich wie Rom auf sieben Hügeln erbaut (heute erstreckt sich die Vier-Millionen-Stadt über 19 Hügel). Das Römische Theater im Vordergrund ist eines der besterhaltenen Gebäude der Antike. Die Wolken am Himmel und das satte Grün, das sich zwischen den Häusern zeigt, sind typisch für den Monat April. Mit 12 Grad Celsius ist es noch recht frisch. Doch das soll sich schon in Kürze ändern.

Ebenso typisch für den Frühlingsbeginn ist es, dass an jeder Ecke der Stadt frische Mandeln verkauft werden. Für mich die erste Neuentdeckung. Ich kannte bislang nur die getrocknete Frucht mit ihrer harten Schale oder aber den Mandelkern. Frisch ist die Mandel erstaunlich weich und hat einen angenehm säuerlichen Geschmack.

Nur einen knappen Tagesritt von Amman entfernt liegt Jarash, das antike Gerasa, das den Bibelkundigen sofort an die spektakuläre Dämonenaustreibung erinnert, der eine ganze Schweineherde zum Opfer gefallen ist (vgl. Mk 5,1-18). Von den Schweinen ist heute nichts mehr zu sehen. Dafür ist eine römische Stadtanlage erhalten, die ihresgleichen sucht. Man braucht nur wenig Fantasie um sich vorstellen zu können, wie die Menschen hier vor 2.000 Jahren gelebt haben.

Auf dem Weg hinunter in den Jordangraben komme ich an der im 12. Jahrhundert von Sultan Saladin zum Schutz vor den Kreuzfahrern erbauten Festung Aljoun vorbei. Noch bestimmen grüne Olivenhaine das Landschaftsbild.

Was für ein Kontrast: das Ufer des Toten Meeres. Ich befinde mich an der tiefsten Stelle der Erde: 428 Meter unter N.N.. Der Salzgehalt des Wassers liegt bei etwa 30 % (zum Vergleich: das Mittelmeer hat einen Salzgehalt von etwa 4 %). Der Effekt der hohen Wasserdichte ist bekannt ...

Um dieses Bad in Ruhe genießen zu können, bin ich in einer der völlig überteuerten Hotelburgen abgestiegen, die man am Nordufer des Toten Meeres errichtet hat - die Nacht für 165 Euro! Schnell wieder zurück ins deutlich günstigere Hinterland ...

Doch auch das hat seinen Preis - bar zu zahlen in Schweißtropfen. Es sind nur knapp 50 Kilometer bis Madaba, aber 1.560 Höhenmeter! Das Thermometer zeigt 32 Grad. Die Steigung beträgt 13 bis 15 Prozent. Das ist ein ordentliches Tageswerk.

Madaba war zu biblischer Zeit die Hauptstadt des Moabiter-Reiches. Nabatäer, Römer und vor allem die frühen Christen haben ihre Spuren in der Stadt hinterlassen, die sich heute mit Recht die "Mosaik-Stadt" nennt.

Der bedeutendste Mosaikschatz Madabas ist eine aus 2,3 Millionen Steinchen bestehende, 6 mal 25 Meter große Landkarte Palästinas aus dem 4. Jahrhundert. Im Hintergrund dieses kleinen Ausschnitts sind der Jordan und das Tote Meer zu erkennen, im Vordergrund das von einer mächtigen Stadtmauer geschützte Jerusalem. Wer des Griechischen mächtig ist, kann noch weitere Orte identifizieren: Betlehem, Efrata, Jericho ...

Vor den Toren Madabas liegt Mount Nebo, der "Mosesberg". Von hier hat der biblischen Überlieferung nach Mose das Gelobte Land erblickt (vgl. Dtn 34,1-5). Erhebend ist der Blick noch heute: man kann über das Tote Meer hinweg bis nach Israel hinüber schauen und bei guter Sicht die Skyline von Jerusalem und Hebron erkennen.

Was an diesem Bild besonders ist? - Die drei Hunde im Vordergrund. Noch haben sie mich nicht entdeckt. Das kann sich aber von einer Sekunde auf die nächste ändern. Jordanische Hütehunde sind eine Plage, zumindest für einen Radfahrer. Meist sprinten sie in Dreier- oder Viererverbänden los und keilen ihr Opfer von hinten ein. Vierzehn Mal habe ich mich mit ihnen messen müssen. Zum Glück habe ich jede der Verfolgungsjagden gewonnen, aber lästig sind sie schon.

Ich folge dem Kings Highway in Richtung Süden und erreiche den "Gran Canyon Jordaniens": das Wadi Mujib. Die Straße stürzt sich von 726 auf 148 Meter hinab, um sofort wieder auf 1.070 Meter anzusteigen.

Der 2003 fertiggestellte Staudamm hält nicht nur die gefährlichen Sturzbäche auf, die sich früher regelmäßig durch das Wadi Mujib ergossen haben. Er versorgt auch die Hotelburgen am Toten Meer mit Frischwasser.

Nur einen Tag später der nächste Canyon: Wadi Hasa. In biblischer Zeit markierte er die Grenze zwischen den Reichen Moab und Edom. Mir beschert er abermals einen Tag mit über 1.500 Höhenmetern.

Aller guten Dinge sind drei: Wadi Dana. Nur nehme ich den Höhenunterschied (von 1.700 bis 330 Meter) diesmal nicht mit dem Rad, sondern per pedes in Angriff. Das gesamte Wadi steht unter Naturschutz und beherbergt, obwohl es so karg aussieht, mehr als 800 verschiedene Pflanzenarten, ...

... darunter die Nationalblume Jordaniens: die schwarze Iris.

Am Ende meiner 15 km langen Wanderung auf dem Wadi Dana Trail lädt mich ein Beduinenjunge auf einen Tee in das Zelt seiner Familie ein.

Der Vater ist gerade mit einer Ziegenherde unterwegs. Die Mutter hütet das Zelt und kocht den Tee für mich. Fotografieren darf ich sie nicht. Aber auch so ist es ein schönes Bild der Gastfreundschaft.

Meine Reise nähert sich ihrem Höhepunkt: Petra. Die Hauptstadt des Nabatäerreiches zählt nicht von ungefähr zum UNESCO-Weltkulturerbe. Schon allein landschaftlich ist die antike Stätte mehr als beeindruckend. Lawrence von Arabien nannte sie in seinem Werk Die sieben Säulen der Weisheit den "herrlichsten Ort der Welt".

Zugänglich ist der Talkessel, in dem die Nabatäer sich im 1. Jahrhundert vor Christus niedergelassen haben, nur über steile Gebirgspfade oder durch diese 1,5 km lange und 70 Meter tiefe Schlucht, den Siq, ...

... der mit diesem weltbekannten Ausblick endet.

Das wie fast alle Gebäude Petras aus dem Felsen herausgeschlagene Khazne al-Firaun wurde lange für das "Schatzhaus des Pharao" gehalten, war aber, wie man heute weiß, eine Grabanlage. Nicht weniger beeindruckend als der Blick aus dem Siq ist die Aussicht vom gegenüberliegenden Felsplateau (die es freilich nur um den Preis eines schweißtreibenden Aufstiegs gibt).

Überhaupt muss man in Petra gut zu Fuß sein. Hinter jeder Windung und von jedem Felsen eröffnet sich ein neuer atemberaubender Ausblick. Grabhäuser, Tempel, Obelisken, sogar ein Amphitheater für mehr als 8.000 Zuschauer haben die Nabatäer aus dem roten Sandstein herausgeschlagen.

Da geraten selbst die Echsen ins Staunen.

Ich muss weiter. Denn ein letztes Highlight will noch erkundet werden: das Wadi Rum. Auch dieses etwa 100 mal 60 km große Wüstengebiet zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Auf dem Fahrrad kommt man hier nicht weit. Also steige ich um ...




Wieder eine neue Erfahrung: zwei Stunden auf dem Rücken eines Kamels sind etwa so anstrengend wie 100 Kilometer auf dem Fahrradsattel.

Dafür bekommt man eine leise Ahnung von dem, was Lawrence von Arabien und seine Gefährten auf ihren tagelangen Ritten erlebt und erlitten haben müssen ...





... und stößt sogar auf Relikte aus jener Zeit. Dieses Portrait befindet sich in einer Schlucht, in der Lawrence und seine Gefährten regelmäßig gelagert haben.




Noch heute ist das Wadi Rum von denselben Beduinenstämmen besiedelt, nur leben sie heute fast ausschließlich vom Tourismus. Hier mache ich gerade Rast in einem Camp, in dem Kamele gezüchtet und für Trekking-Touren angeboten werden.



So wird aus dem Radfahrer allmählich ein Beduine, der sich nur schweren Herzens wieder von dieser herrlichen Wüstenlandschaft trennen kann, ...


... aber Aqaba wartet auf mich und damit leider auch das Ende dieser Tour.

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